Momente, die bewegen und Momente zum Geniessen
Schweizer Astrophysikerin liebt die Sonne auf Teneriffa
Leiterin Dr. Lucia Kleint (l) und Karin Gerber, Design Engineer auf der
Forschungsanlage VTT. (c) Fotos: Kulturonlinine.ch
Sonnenforschung in Kooperation mit der Sonde Parker Solar Probe
Faszination Sonne. Die 35-jährige Zürcherin Dr. Lucia Kleint hat im September 2018 die Leitung von zwei Forschungsteleskopen am Observatorium auf Teneriffa übernommen. Gemeinsam mit der Sonde Parker Solar Probe, die am 12. August 2018 startete, wird die Sonnenatmosphäre beobachtet.
Die Anreise zum Treffen mit Dr. Lucia Kleint erscheint in diesem gigantischen und braunen Lavaumfeld, unweit vom noch glimmenden Vulkan Teide, fast unreal. Eigenartige weisse Türme am östlichen Zugang zum Teide-Nationalpark gehören zum Gelände der Sternwarte Teneriffas. Kaum haben wir die Sicherheitsschleusen mit dem Auto verlassen, führt uns die Strasse hoch zu den Forschungsstationen. Gleich bei einem der grössten Türme, man nennt dieses Teleskop «GREGOR», werden wir schon von Kleint freudig erwartet. «Ich habe gerne Besuch aus der Schweiz. So kann ich endlich mal wieder schweizerdeutsch sprechen», lacht Kleint. Und natürlich haben wir sie nicht enttäuscht.
Lichter vertrieben die Sternenforscher
Kaum sind wir im Turm fühlen wir uns im Eingangsbereich wie in einem eindrücklichen Museum aus einer anderen Welt. Grafiken, Bilder, Texte und bewegende Wissenselemente erläutern Sinn und Zweck der Forschungsstation.
Lucia Kleint schildert ihre Aufgaben und technischen Hilfsmittel: «Als das Kanarische „Observatorio del Teide“ 1964 eröffnet wurde, schien hier – fernab der Zivilisation auf 2390 m Höhe – die beste Stelle mit freier Sicht ins Weltall zu sein. Die zunehmenden Lichter der Ferienorte störten jedoch die Arbeit der Astronomen. Sie haben inzwischen auf der Nachbarinsel La Palma ein neueres Observatorium für die Sternenforschung eingerichtet und können so das nächtliche Firmament besser analysieren. Die grössten Teleskope hier auf Teneriffa spezialisieren sich auf die Sonne.» Es gebe auch in La Palma ein grosses Sonnenteleskop. Zudem gäbe es auf Teneriffa viele Nachtteleskope.
Grosse Erwartungen hat Lucia Kleint an die Sonde Parker Solar Probe: «Sie wird bis in die obere Sonnenatmosphäre fliegen und zwar in einer Entfernung von ca. 6 Millionen Kilometern. Dies ist 96 % der Erde-Sonne-Distanz, also sehr nahe bei der Sonne, was bisher keine Raumsonde gemacht hat.»
Das grösste Sonnenteleskop in Europa
Im «GREGOR», das seit 2014 für wissenschaftliche Messungen eingesetzt wird, steigen wir in den Lift und fahren hoch zum 1,5 m grossen Sonnen-Teleskop, welches von einem Deutschen Konsortium gebaut und vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik geleitet wird.
Als Partner konnten das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, das Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam, und das Institut für Astrophysik Göttingen (bis 2008) ins Boot geholt werden. Das Instituto de Astrofísica de Canarias und das Astronomical Institute of the Academy of Sciences von der Tschechischen Republik haben weiter zum Teleskop oder den Instrumenten beigetragen.
Nicht ohne Stolz erzählt Kleint: «GREGOR ist das grösste Sonnenteleskop in Europa und ist mit einer adaptiven Optik ausgestattet. Es ist für Beobachtungen der verschiedenen Sonnenschichten, der Photosphäre und der Chromosphäre im Sichtbaren und dem nahen Infrarot entworfen.»
Am Vortag wurde ein Sonnenfleck entdeckt. Dr. Lucia Kleint analysiert.
Sonnenflecken und die Folgen
Frühmorgens, wenn die Sicht zum Himmel einwandfrei ist, geht das halbrunde Dach auf und die Wissenschaftler, darunter momentan auch Studenten von der Fachhochschule Nordwestschweiz, nehmen ihre Arbeit auf. Die Sonnenstrahlen werden vom Teleskop gebündelt, durch den Turm geschleust und über insgesamt mindestens sechzehn verzweigte Spiegel und spezielle Filter geschossen, ehe Kameras aktuelle Aufnahmen im Computer zeigen.
«Hier haben wir einen grossen Sonnenfleck beobachtet», berichtet Kleint und zeigt auf den PC-Bildschirm und erklärt: «Sonnenflecken können instabil werden und Explosionen verursachen und jene Teilchen, die dabei Richtung Erde fliegen, können zu Nordlichtern führen, die jedoch nur in der dunklen Jahreszeit im Norden gesehen werden können. Diese Explosionen und Nordlichter vorauszusagen, ist momentan allerdings nicht möglich und dies ist ein Teil unserer Forschung.»
Nordlichter mit eigenen Augen im Norden als Tourist zu sehen bleibe also Zufall.
«Vacuum Tower Telescope» - ist der älteste Forschungsturm
Nach einem Jahr als Leiterin des GREGOR, ist Dr. Lucia Kleint seit September 2018 auch für eine zweite, eigentlich die älteste Forschungsstation verantwortlich: «Beim „Vacuum Tower Telescope“ (VTT) wird dasLicht über zwei Coelostaten-Spiegel mit einem Durchmesser von 80 cm in das Teleskop auf den Hauptspiegel gelenkt. Ein wichtiger Vorteil eines Coelostaten-Systems ist ein nicht rotierendes Sonnenbild im Labor. Das vom Hauptspiegel reflektierte Licht wird über einen Umlenkspiegel zum Primärfokus abgebildet.»
Der Hauptspiegel habe einen Durchmesser von 70 cm und eine Brennweite von etwa 46 m. Im Strahlengang sei eine adaptive Optik zur Korrektur der durch Seeing verursachten Bildverschlechterung integriert.
Die für einen kurzen Demozweck geöffnete halbrunde Kuppel auf dem Dach schliesst sich langsam. «Der Schmutz ist der grösste Feind der feinschichtigen Spiegel», sagt Dr. Lucia Kleint und wie im Film verschwindet so auch der Teide in unserem Blickfeld, ehe wir uns tief beeindruckt von ihr und dem Team verabschieden.
Dr. sc. ETH Lucia Kleint …
… ist mit grosser Leidenschaft eine hoch anerkannte Wissenschaftlerin. Familiär unbelastet ist sie an der ETH Zürich in die Astrophysik geführt worden: «Ich war schon immer fasziniert von unserer Welt, dem Weltall und Sonnensystem. Meinen ersten Besuch am Observatorium auf Teneriffa hatte ich im Jahr 2007. Hier kann ich mich über mehrere Wochen für die Forschungen zurückziehen und lebe bescheiden, dennoch haben wir alles, was wir brauchen. Zwischendurch fliege ich in die Schweiz, um an der Fachhochschule Nordwestschweiz zu arbeiten oder meine Familie zu treffen.»
Was macht die junge Forscherin nach der Arbeit? «Im Team pflegen wir auch mit allen anderen Forschern im Observatorium ein gutes und kollegiales Verhältnis. Manchmal gehen wir zusammen nach La Laguna zum Abendessen und tauschen uns aus oder spielen Tischtennis. Dennoch hat jeder seinen Freiraum, sein eigenes Zimmer. Ich lese gerne oder schaue mir draussen am Nachthimmel die Sterne an, ehe ich müde ins Bett falle».