Letzter Flug vom Ostschweizer Captain und Ex-CEO der Edelweiss Air, Karl «Charly» Kistler
Blick aus dem Cockpitfenster: Captain und damals CEO, Karl «Charly» Kistler, bei einer Zwischenlandung mit dem Airbus A320 der Edelweiss Air in Hurghada/Ägypten. Am 13. April 2017 geht er in den (Un-)Ruhestand. (c) Fotos: ROPO/MuA/Kulturonline.ch
Faszinierender Wechsel vom Grossraumflieger in den Eigenbau-Helikopter.
Am Donnerstag, 13. April 2017, landet die A330 von Edelweiss Air von den Malediven kommend auf dem Airport Zürich um 18.55 Uhr. Es ist der letzte Flug vom Hinterthurgauer Captain und Ex-CEO Karl «Charly» Kistler. Langeweile kennt er nicht: Vom Grossraum-Jet wechselt er zum Heli-Eigenbau, sein grosses Hobby, wo er bereits 1000 Gebirgslandungen souverän meisterte.
Die Fliegerei hat Karl «Charly» Kistler schon als Kind begeistert. Mit dem Modellflugzeugbau ist er in seinen Aufgaben schnell gewachsen. Er lernte Elektroniker und fand Freude am Fallschirmspringen. «Körperliche und psychische Herausforderungen haben mich immer fasziniert. Meinen Erstabsprung absolvierte ich in Ecuvillens, danach begann ich 1972 in Losone die Fliegerische Vorschulung (FVS, heute Sphair) zum Fallschirmgrenadier. Diese anspruchsvolle Ausbildung entpuppte sich für mich als erste, bedeutsame Kaderschule», erzählte Kistler.
Erfolge machen glücklich und zufrieden
«Charly» Kistler lernte, dass im Leben nur gute Leistungen zählen, durchschnittliche Ergebnisse befriedigten ihn nicht. «In meinen Aufgaben realisierte ich, Teamarbeit ist mehr wert als das Einzelkämpfertum. Disziplin und Verantwortung trugen ihren Teil zum Erfolg bei.» Militärische Gruppenabsprünge in dunkler Nacht und unbekannten Gebieten oder Überlebenswochen kommen ihm dabei zum Vergleich in den Sinn. Erfolge machten ihn glücklich und zufrieden, diese Einstellung und Erfahrung gab er in allen seinen Berufsstationen an die Teammitglieder weiter.
Trotz dem späteren Wechsel zur Balair blieb er dem Fallschirmspringen treu. Kistler wurde Gründungsmitglied der Fallschirmgruppe Sittertal. Der dortige Absetzpilot Guido Brun motivierte ihn schliesslich Pilot zu werden. Die Karriere nahm ihren Fortgang: 1978 wurde er schon Fluglehrer und begann die Ausbildung zum Berufspiloten. Zwei Jahre später wurde er bei Crossair Captain, Instruktor und Prüfungsexperte beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL).
Eindrückliche Erfahrungen als UN-Pilot im Nahen Osten
Zehn Jahre engagierte sich Kistler im Auftrag der Balair in Jerusalem. Der Einsatz für die United Nations (UN) als Delegationsleiter und Chefpilot zeigte sich als grosse Herausforderung: «Mit einer Fokker 27, damals noch ohne GPS, musste man alle 14 Tage die UNO-Beobachter ersetzen. Im Gegenlicht über der Wüste zu fliegen war nicht einfach, geschweige dann den Flugplatz dort zu finden. Zu Beginn musste man einen Überflug machen, um sicher zu sein, dass sich auf der Landebahn kein Kamel befindet.»
Nicht ungefährlich waren die UNO-Flüge nach Beirut, wo Bürgerkrieg herrschte. «Die Infrastruktur war zerbombt. Ein Wetterradar-Bild diente als Hilfsmittel und ein UNO-Observer orientierte uns via Funk und mittels Farbcode, ob es eine gefährliche Situation gibt. Grün hiess okay, Gelb bedeute kritisch und bei Rot war es besser wieder nach „Hause“ zu fliegen. In kritischen Momenten wurde der Motor nie abgestellt, Fluggäste mussten rasch aus- oder einsteigen und dann hiess es, nichts wie weg.»
Die Erfolgsgeschichte von Edelweiss Air trägt seinen Namen: Karl «Charly» Kistler im Cockpit der Edelweiss Air A330.
Edelweiss Air auf Erfolgskurs gebracht
Von 1996 bis 2001 wirkte «Charly» Kistler beim Aufbau der Edelweiss Air mit: Er wurde zum Chefpilot und Leiter Operation (COO) sowie Instruktor auf Airbus A320/A330 befördert. Ab 2002 bis August 2014 amtierte er als Geschäftsführ (CEO) und Accountable Manager. In dieser Zeitspanne trug er für unzählige Teammitglieder und Passagiere eine grosse Verantwortung. Seine fachlich korrekte, menschliche und einfühlsame Art und Weise war ansteckend, ihn mochte man auf Anhieb. Und seine ruhige Ausstrahlung gab die Sicherheit für einen herrlichen, unbekümmerten Flug.
Heute engagiert sich Kistler bei der Experimental Aviation Switzerland (EAS) und bei der Internationalen Schule für Tourismus (IST).
Mit Heli-Eigenbau in die Berge – trotz einem «Baufehler»
Grap Son Gion. Mit viel Fachwissen und Geschick hat sich Karl «Charly» Kistler diesen CH7-Heli-Eigenbau, sein grosses Hobby, aufgebaut. (Foto: Privatarchiv Kistler)
Zu Kistler’s letztem Flug als Captain der Edelweiss Air nahm er seine Ehefrau mit, die oftmals ohne ihn auskommen musste und gut zur Familie schaute. Sie kehren mit einigen hundert Passagieren am 13. April 2017, mit voraussichtlicher Landung um 18.55 Uhr, zurück aus den Malediven. Er dürfte mit einem lachenden und weinenden Auge landen. Viele Kaderleute und Crew-Mitglieder werden traurig sein, aber sich sehr gerne an seine Kompetenz und Liebenswürdigkeit erinnern.
Damit es ihm im Ruhestand nicht langweilig wird, so hat er sich vor Jahren einen CH7 Heli-Eigenbau angeschafft. Am 28. März 2017 hat er seine 1000. Gebirgslandung im Engadin absolviert. Seine Freunde meinen jedoch, Charly hat einen Fehler beim Bauen des Eigenbaus gemacht: «Dieser kleine Heli hat leider nur einen Sitz, jenen für den Piloten!»
Die Geschichte der Edelweiss Air.